Nicht ohne meinen Glauben

  • Julia Schmidt, Christin

Die 20-jährige Julia Schmidt geht sonntags in die Kirche, liest täglich in der Bibel und betet regelmäßig. Unter Gleichaltrigen ist sie damit eher die Ausnahme und stößt nicht immer auf Verständnis.

Als Julia ihre große Schwester fragt, wann sie endlich damit aufhöre, sie zu kritisieren, antwortet sie: „Wenn du aufhörst, zu glauben.“ Obwohl sich die beiden sehr gut verstehen, ist der Glaube ein ständiges Konfliktthema zwischen ihnen. Ihre elf Jahre ältere Schwester ist die einzige Atheistin in der Familie, war als Teenager Punk und lebt mittlerweile mit ihrer Familie in Österreich. „Meine große Schwester ist der Meinung, dass ich nichts hinterfrage und alles so hinnehme“, erzählt Julia Schmidt. Dennoch lässt sie sich nicht von ihrem Glauben abbringen.

Die 20-Jährige ist mit Religion aufgewachsen. Auch ihre Eltern und ihre kleine Schwester sind gläubige Christen. Im Alter von zwei Jahren wurde sie getauft. Im Kindergartenalter war sie immer sonntags in der Bibelstunde, wo eine Frau eine Geschichte über Jesus erzählte. Anschließend malten, bastelten, spielten und sangen alle gemeinsam. Im Grundschulalter ging sie regelmäßig in den Kindergottesdienst. Später wurde der normale Gottesdienst für sie zur Sonntagsroutine. Mit 14 folgte die Konfirmation.

In der Regel geht sie jeden Sonntagmorgen in die Kirche. Wenn ihr mal etwas dazwischenkommt, gibt es noch die Landeskirchliche Gemeinschaft, die sich immer am Sonntagabend trifft. Im Gegensatz zur Kirche ist die Gemeinde ehrenamtlich organisiert. Predigen dürften dort auch Menschen ohne Pfarrer-Ausbildung. Leute in ihrem Alter trifft sie weder in der Kirche noch in der Gemeinde, aber das stört sie nicht.

„Ich weiß, dass Gott einen Plan für mich hat.“

Der Glaube gibt Julia Schmidt Halt, Geborgenheit und Glückseligkeit. „Ich weiß, dass Gott immer da ist und ich mit ihm reden kann, wenn ich mal nicht weiter weiß“, erklärt sie. Jeder Mensch hat Situationen im Leben, die nicht so prickelnd laufen, aber für die 20-Jährige ist klar, dass dahinter immer etwas Gutes steckt. Sie ist sich sicher, dass Gott einen Plan für sie hat. „Ich frage mich, wie Menschen ohne Glauben das machen, wenn sie Probleme haben. Die sitzen dann da und haben niemanden“, meint sie, „und ihr Leben läuft einfach so ab.“

Spürbar wird Gott für sie im Alltag. An kleinen Dingen, die für andere vielleicht keine große Bedeutung haben. Beispielsweise als sie sich verlaufen hatte und sich schon zig Mal nach dem Weg erkundigte und flehte: Gott, bitte, ich frag jetzt nur noch eine Person und die soll mir den richtigen Weg zeigen. Daraufhin hielt sie einen Autofahrer an, der sie prompt mitnahm und sie direkt zu ihrem Ziel fuhr. Oder als sie in Englisch eine Eins bekam, was ihr unmöglich schien. Sie ist überzeugt, dass „da Gott seine Hände im Spiel hatte.“

Manchmal träumt Julia Schmidt von Situationen, die dann wirklich passieren. Als sie noch auf die FOS ging, träumte sie beispielsweise vom Thema der Abschlussprüfung im Fach „Pädagogik/Psychologie“. Für die 20-Jährige ein klares Zeichen, dass es etwas Höheres gibt.

Einmal hat sie die Bibel schon komplett gelesen

Jeden Tag nach dem Aufstehen liest Julia Schmidt eine Seite in der Bibel. Das gehört für sie dazu wie das tägliche Gebet. Einmal hat sie die Bibel schon komplett gelesen. Ansonsten hört sie gerne Predigten von Joyce Meyer an. Dafür hat sie sich extra die Bibel-TV-App heruntergeladen.

Die Bibel zu lesen, war ihr wichtig, und zwar aus einem ganz bestimmten Grund. Sie wollte wissen, was dort zum Thema Sex vor der Ehe geschrieben steht. Für sie ist Sex etwas, das sie nur mit einem Menschen teilen will. Deshalb will sie damit bis zur Ehe warten. „So direkt konnte ich es in der Bibel nicht finden“, meint sie. Es sei nur so, dass Mann und Frau immer verheiratet waren, bevor sie miteinander schliefen – außer die Prostituierten.

Bisher hat Julia Schmidt noch niemanden kennengelernt, für den sie ihre Werte über Bord geworfen hätte. Da waren nur Jungs auf Partys, die mit ihr „rummachen“ wollten. Aber auch Küssen hat für sie mehr Wert als für viele andere in ihrem Alter. Sie würde nie mit einem Fremden rumknutschen. Nur einmal war sie verliebt. Der Kontakt brach jedoch abrupt ab. Denn sie wollte keinen Sex vor der Ehe, er wollte keine Ehe. Andererseits kennt Julia auch Jungs in ihrem Alter, die beteuern: „Würde meine Freundin das wirklich wollen, dann würde ich das auch mitmachen.“

Manchmal ist Religion wie ein Stempel

Manchmal ist ihre Religion wie ein Stempel: die gläubige Julia. Ein Unterscheidungsmerkmal zwischen den Julias in ihrem Jahrgang, für Freunde von Freunden, für die Lehrer an der Schule. Dabei kommt sie sich selbst nicht einmal so gläubig vor, wie alle sagen. Aber sie steht dazu: „Wenn andere diesen Stempel brauchen, ist mir das völlig egal.“ Sie verschweigt es auch nicht. Es komme sowieso immer zur Sprache, so die angehende Erzieherin.

Dass sie mit dem Sex bis zur Ehe warten will, ist für einige wie Zündstoff. Auch wenn die allermeisten es respektieren und akzeptieren, gibt es jene, die ihr davon abraten. Etwa ihre große Schwester, die das Thema ständig zur Sprache bringt und Kommentare abgibt. Oder eine Freundin der Familie, die eines Tages auf sie zukommt und sagt: „Bitte überdenke deine Haltung noch einmal!“

Dennoch vertraut Julia Schmidt darauf, dass ihr Gott keinen Idioten schicken wird, wie ihre Schwester immer wieder besorgt anführt. Ihr Traumtyp könne katholisch, evangelisch oder Atheist sein, solange er hinter ihr stehe, sie für ihren Glauben nicht fertig mache und sie ihre Kinder mit dem evangelischen Glauben erziehen könne, meint sie. „Allerdings weiß ich nicht, wie es in der Situation wäre“, betont sie. „Wenn ich schon ein Jahr mit jemandem zusammen bin und weiß, er ist es, vielleicht wäre es dann nochmal anders“, fügt sie hinzu.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert